18.10.2023 | Der Wolfgangseelauf 2023 – ein persönlicher Erfahrungsbericht von Marvin Walter
Meine Freundin und ich wollten dieses Jahr noch einmal gemeinsam in den Urlaub. Jobbedingt ist dies leider nur in den Schulferien möglich.
Daher wollten wir die Herbstferien nutzen und noch einmal für ein paar Tage die Sonne im Rahmen eines klassischen All-In Urlaubs in Ägypten genießen. Wir beide sind eigentlich vielmehr Team Aktivurlaub, als Team Entspannungsurlaub. Aber „man müsse ja auch mal Pause machen und einfach entspannen.“ Nachdem wir in wenigen Tagen „Ab-in-den-Urlaub“, „Trivago“ und „Check24“ durchgespielt hatten und uns auf einige wenige Hotels einigten, kristallisierte sich heraus, dass für den Urlaubszeitraum niemand in der Heimat auf unseren Hund aufpassen konnte. Komischerweise waren wir gar nicht so traurig oder enttäuscht darüber.
Diese Umstände bereiteten uns eher die überzeugende Begründung, dass wir doch nicht in den All-In Urlaub fliegen, sondern mit Hundi gemeinsam in die Berge zum Wandern fahren werden. Schließlich buchten wir für 7 Tage ein Haus in Südtirol, Nähe Trento (Trient). Die Wetterapp zeigte für den Zeitraum durchgehend 24 Grad und Sonne an. Die Vorfreunde war dementsprechend ziemlich groß.
Davor ging es aber noch für 2 Tage nach Wien zu einem Freund von mir. Wien liegt natürlich so gar nicht auf dem Weg in Richtung Süden, doch wir beide hatten die schöne Stadt Wien noch nie gesehen. Somit nahmen wir die extra Kilometer gerne in Kauf und was soll man sagen: Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Wien ist wirklich eine wunderschöne Stadt!!
Nach dem zweitägigen Aufenthalt in Wien ging es dann in Richtung Italien. Wir planten auf halber Strecke einen Zwischenstopp im schönen Salzkammergut. Dort wollten wir u.a. einen Blick auf den berühmt, berüchtigten Wolfgangsee werfen. In St. Wolfgang am Wolfgangsee angekommen, erblickte meine Freundin zufällig ein Banner des „legendären“ Wolfgangseelauf im Oktober. Eine 27km Runde um den gesamten Wolfgangsee…und das zufällig am Sonntag in 8 Tagen. Einige Minuten später erzählte sie mir dann, dass wir auf der Rückreise noch einmal in St. Wolfgang halten und wir den Urlaub spontan noch einen Tag verlängern werden. Sie hätte mich nämlich für den 27km-Lauf nächsten Sonntag angemeldet. Ich hab mich so sehr darüber gefreut (im Stillen sogar möglicherweise gehofft, dass sie auf diese grandiose Idee kommt). Einige Laufsachen hatte ich vor Urlaubsbeginn natürlich vorsorglich in meinen Koffer gepackt. Man kann ja nie wissen.
Eine Woche später, nach einem tollen Aufenthalt in Südtirol mit einigen schönen Wanderungen inklusive traumhaften Aussichten und Naturbildern, begaben wir uns Samstag (einen Tag vor dem Wolfgangseelauf) auf die Rückreise in Richtung Österreich, St. Wolfgang. Wir konnten spontan ein kleines, charmantes Hotel, direkt am Wolfgangsee knapp 1,5km vom Startpunkt des Laufes entfernt, buchen. Am Telefon fragte man uns bereits, ob wir auch am Lauf teilnehmen wollen, so wie die anderen Hotelgäste auch. Mit voller Vorfreude begaben wir uns auf den Weg.
Auf der Brennerautobahn zwischen Italien und Österreich kam es dann zum Supergau. Nach 3,5 Stunden Stau und unzähligen Mautstellen fuhren wir uns eine Schraube in das linke Hinterrad. Wir kamen schließlich auf einem Pannenstreifen, in Höhe Innsbruck, zum Stehen. Dort war die Weiterfahrt mit unserem vollgepackten Pkw + Hund dann bis unbestimmte Zeit unterbunden. Schon wenig später stellte sich heraus, dass ich die Worte: „naja wenigstens ist es hier im organisierteren Österreich und nicht in Italien passiert“ bereuen werde. Ganze 6 Stunden konnten wir mit verschiedensten Versicherungen, Serviceunternehmen über ADAC bis hin zu Mercedes telefonieren. Keiner konnte bzw. wollte uns so wirklich helfen. Jeder Einzelne schob die Zuständigkeiten von sich weg. Ein einfacher Reifenwechsel war wohl auch nicht möglich, da scheinbar auf einem Samstag um 16:30 Uhr keine einzige Werkstatt mehr in Österreich geöffnet hatte. Ersatzreifen oder Pannenset im Pkw vorhanden? Fehlanzeige. Einige Stunden später wurde unser Fahrzeug dann zumindest schonmal abgeschleppt und wir von der Autobahn befördert. Angekommen bei der nächstgelegenen Mercedes-Werkstatt in Innsbruck (ab Montag wieder geöffnet), kam es zu weiteren stundenlangen, bürokratietypischen Telefonaten. Es war bereits 20:30 Uhr. Geplanter Check-In in St. Wolfgang war um 16 Uhr. Einen Leihwagen konnte man für uns nicht ausfindig machen. ÖPNV war aufgrund des üppigen Urlaubsgepäcks und des Hundes nicht möglich. Wir wären laut Google Maps mit Bus und Bahn aber auch erst am Folgetag um 09:30Uhr, eine Stunde vor Startschuss des Wolfgangseelaufes angekommen…undenkbar.
Schlussendlich fuhren wir dann mit Taxi von Innsbruck nach St. Wolfgang. Eine mehr als 3-stündige, kostenintensive Taxifahrt, bei welcher zumindest einer gute Laune hatte: der österreichische Taxifahrer. Bei meiner Freundin und mir war die Stimmung eher schwach bis mäßig. Um 00:45 Uhr erreichten wir dann endlich das Hotel in St. Wolfgang. Man hatte uns zum Glück die Schlüssel herausgelegt und so bezogen wir nachts mit unserem ganzen Gerümpel mehr oder weniger klammheimlich unser Hotelzimmer.
Wenig Schlaf, Wut im Bauch, schwere Beine von den Wanderungen, ungewohnte 6 Grad Außentemperatur. Ich war mittlerweile eine qualifizierte Wettkampfvorbereitung durch Trainer Martin gewohnt. Diese Vorbereitung war irgendwie ganz anders.
Am nächsten Morgen kam ich mit eingeschränktem Elan aus dem Bett. 5 Stunden Schlaf waren dann doch etwas zu wenig vor einem Laufwettkampf.
Nach dem Frühstück ging es dann zur Ausgabe der Startunterlagen. Auf dem Weg dorthin traf ich schon auf sehr viele laufbegeisterte, sehr freundliche Leute. Die Anspannung stieg und ich hatte auf einmal wieder richtig Bock auf den Lauf!
Mit einigen Gels, Carb-Drinks und Salztabletten (die mir meine Freundin glücklicherweise zuvor in einem Supermarkt in Italien besorgt hatte) bewaffnet, ging es mit etwa 2000 anderen Teilnehmern an die Startlinie. Das Feld war top besetzt. Einige Läufer wurden extra aus Kenia eingeflogen. Österreichische Sportlegenden wie Andi Goldberger standen zufällig neben mir an der Linie und konnten den Startschuss ebenfalls kaum erwarten.
Die 27km um den Wolfgangsee waren größtenteils flach bis leicht hügelig. Einzig und alleine ein Berganstieg hatte es in sich. Vor diesem warnten mich einige Hotelgäste bereits heute Morgen beim Frühstück. Und das absolut zu Recht!!
Direkt zu Beginn zwischen Kilometer 3 und 6 ging es knapp 240m hoch und auch wieder runter. Nachdem die ersten 3 relativ flachen Kilometer recht zügig absolviert wurden kam ich bei dem besagten Berg an. Sowas hatte ich noch nicht erlebt. Mein Puls war relativ schnell bei 190. Der Berg war extrem steil, der Untergrund hatte alles, was einen mittelschweren Wanderpfad charakterisierte. Er war nicht immer trittfest, mit diversen, losen Felsen versehen und gefühlsmäßig erbarmungslos lang und ansteigend. Ich musste einige Meter gehen. Ich rutschte und ich konnte irgendwie auch nicht schneller. Endlich war ich oben angekommen. Ich dachte mir: „Jetzt geht es bergab und ich kann wieder einiges an Zeit gut machen.“
Pustekuchen: der Abstieg war derartig stark abschüssig und rutschig, dass man alles andere als Tempo aufnehmen konnte und sollte. Einige neben mir stürzten, weil sie es übertrieben hatten. Ich selbst tippelte im Schneckentempo den Berg herunter. Nach Kilometer 6 war ich dann endlich auch mal unten angekommen.
Meine Beine waren bereits jetzt sehr schwer und unter Anspannung, dass es mir eigentlich schon reichte. Dabei hatte ich noch 21 Kilometer vor mir und aufgrund des Berges war ich weit von meiner ungefähren Zielzeit 2 Stunden 10 Minuten entfernt…ich musste also Boden gut machen. Eine beängstigende Vorstellung. Nachdem ich meinen Körper mit den ersten Gels bombardierte, fing ich mich ab Kilometer 9,10. Der Lauf fing auf einmal an, Spaß zu machen, richtig Spaß zu machen!
Die Kulisse, die Landschaft und die Strecke waren ein Traum! Die Fans an den Wegen und Straßen waren unglaublich euphorisch. Überall gab es nette Versorgungsstationen, unter anderem auch Bier bei Kilometer 17!? Es war echt knapp, aber ich konnte widerstehen, denn es war weiterhin sehr hart und ich konnte meinen Beinen auch nicht wirklich vertrauen.
Ab Kilometer 20 hab ich das Tempo dann etwas angezogen. Ich konnte einige Läuferinnen und Läufer einsammeln. Psychologisch ein echter Vorteil! Auf den letzten 2,3 Kilometern vor dem Ziel grüßte dann der letzte leichte Anstieg. Mit den Eindrücken dieser schönen Laufstrecke im Gepäck, verging die letzte Steigung jedoch wie im Flug. Das Ziel war zum Greifen nahe und etwa 500 Meter vor Ende bereits in sichtbarer Nähe.
Im Zielbereich standen neben vielen jubelnden Zuschauern, meine Freundin Luisa mit Hundi Cara…ein unfassbar schönes Gefühl. Der vorherige Sch…Tag war für einen Moment lang vergessen. Schon erstaunlich, was Laufen möglich macht. Meine Zielzeit: 2:07:20 Std.
Ziel also erreicht und ich bin mehr als zufrieden. Vor allem weil die Beine gehalten haben. Der Wolfgangseelauf 2023 war und ist für mich bislang das absolute Laufhighlight! Ich kann diesen Lauf jeder Läuferin und jedem Läufer empfehlen, der Wert auf eine wunderschöne Natur und eine super Organisation legt. Dieses Erlebnis, diese Eindrücke werde ich nie vergessen! Achso und eine Empfehlung an jeden Einzelnen, der testen will, ob die Knie noch funktionieren und halten…der Berg zu Beginn ist die ultimative Generalprobe dafür.
Etwa 25 Minuten nach dem Lauf ging es dann schon direkt mit dem Taxi in Richtung Salzburg. Dort am Flughafen wartete nämlich schon ein Mietwagen auf uns. Ohne warme Dusche und etwas Entspannung ging es dann für uns nach Hause. Wohlbehalten nach knapp 8 Stunden zu Hause angekommen überwogen trotzdem absolut die positiven Erlebnisse des Urlaubs und des Wolfgangseelaufs.
Ob wir die Entscheidung des Aktivurlaubs bereuen? Keinesfalls! Ob wir einen Entspannungsurlaub für das nächste Jahr in Erwägung ziehen? Vielleicht!