“Marathon” – dieses Wort war das erste Mal 2012 für mich ein Begriff, den ich live in Berlin als Zuschauer erleben durfte. Als ich damals im Zielbereich diese überglücklichen und emotionalen Läufer gesehen habe, habe ich mir gesagt, dass ich das Gleiche irgendwann auch einmal erleben werde!
Ein „Läufer“ war ich nie. Beim Fußball war ich Torwart. Gelaufen bin ich früher ab und an mal. Mehr als drei oder vier Kilometer waren nie drin. „Außer Puste“ war ich immer. Ab Mai 2018 bin ich dann wirklich mal konsequent laufen gegangen und schnell hatte es mich gepackt. Die nächsten Monate lief ich weiter. Auch regelmäßig. So gut ich konnte. Irgendwann hatte ich sogar die 60 Minuten geschafft.
Das Schlüsselerlebnis, dass mich dann dazu gebracht hat mich anzumelden war der Berlin Marathon 2018. Ich saß vor dem Fernseher und habe es verfolgt. Mir wieder vorgestellt, wie es live vor Ort war. Die Bilder dazu im Fernsehen. Es hat mich nicht mehr losgelassen. Als es dann möglich war sich anzumelden habe ich es über einen Reiseveranstalter gemacht, um das Ticket sicher zu haben.
Ich bin weiter laufen gegangen, aber irgendwie relativ planlos. Im Januar habe ich dann mit Dennis Götze gesprochen, von dem ich wusste, dass er auch Marathon läuft und er sagte mir, dass er bei Fit2Run in Beckum ist und dort Laufgruppen und -kurse betreut. Ich habe mich dann dort angemeldet.
Die Fortschritte, die ich dann im Laufkurs gemacht habe, waren wirklich unfassbar. Durch die verschiedenen Trainingsreize und die Tipps zum Laufen habe ich erst einmal verstanden, was ich bisher alles falsch gemacht habe. Nach gut 2 Monaten Laufkurs habe ich dann am AOK Frühlingslauf teilgenommen und meine persönliche Bestzeit von 1:04:10 aufgestellt. Das war für mich schon sensationell.
Um dann die Vorbereitung auf den Marathon perfekt zu gestalten, habe ich den nächsten Laufkurs gebucht, der dann mit dem Marathon als Ziel enden sollte. Der Trainingsplan wurde extra für mich geschrieben. Leider konnte ich aus zeitlichen Gründen nicht mehr am regelmäßigen Treffen teilnehmen, aber ich hatte immer regelmäßigen Austausch und habe mich auch mehrmals mit Dennis getroffen um mir Tipps abzuholen.
Die Vorbereitung auf den Marathon war in Summe natürlich sehr zeitintensiv. Oftmals war ich abends auch nur kurz zum Abendessen zuhause um dann direkt wieder los zu laufen. Viele lange Läufe habe ich aufgrund der Sommerwochen am Wochenende um 5:00 Uhr oder 6:00 Uhr gestartet, damit ich zum einen wieder Zeit für die Familie hatte, aber um auch der Hitze zu entgehen.
Zum Marathon in Berlin habe ich mir dann gesagt, einfach nur anzukommen. Dafür musste ich maximal 8:30 min/km laufen – 6:15:00 und nicht länger. Am Marathonmorgen selbst war ich sehr nervös. Gut geschlafen habe ich zwar, aber je näher es zum Start ging, je mehr kam die Nervosität. Wie es der Zufall will hatte ich mich dann mit Melanie und Esther, die ich aus dem Laufkurs bei Fit2Run kannte und wusste, dass sie auch in Berlin starten, per Handy kurz geschlossen und wir haben uns getroffen. Es war auch Zufall, dass wir dann beschlossen haben zusammen zu laufen und nur zu finishen.
Die ersten 8 Kilometer waren einfach nur zum Genießen. Es waren 47.000 Menschen am Start. Die Stimmung war einfach unglaublich und ich war voll mit Endorphinen. Dann waren wir gut drin. Leider regnete es mittlerweile ziemlich stark und warm war es auch nicht wirklich. Unglücklicherweise mussten wir irgendwann Esther zurück lassen, die nicht gut drauf war und kurz danach auch leider abbrechen musste. Melanie und ich liefen weiter. Wir haben ein paar Gehphasen bei Verpflegungsständen eingelegt. Das erste Gel habe ich bei Kilometer 25 genommen. Das zweite bei 28. Bei Kilometer 34 kam dann bei mir der Mann mit dem Hammer, aber dank der Motivation und Anfeuern von Melanie sowie meiner Frau und meiner Tochter, die vorher schon bei Kilometer 7 und jetzt bei 35 standen bin ich weiter gelaufen. Ab Kilometer 38 musste ich Melanie ziehen lassen, da ich meine Krämpfe in den Oberschenkeln nicht mehr rausbekam und somit die letzten 4 Kilometer mit Krämpfen laufen musste. Aber immer mit dem Gedanken an das Brandenburger Tor und die Ziellinie. Der Kopf war klar und fokussiert auf das eine Ziel – finishen! Ich wusste auch, dass meine Frau und Tochter noch einmal kurz vorm Brandenburger Tor stehen werden und habe meine Schmerzen und Krämpfe ausgeblendet. Irgendwann dann nach einer Linkskurve in die Straße Unter den Linden habe ich es gesehen – das Brandenburger Tor. Es war ein unglaubliches Gefühl endlich zu wissen, dass es gleich vorbei ist. Die Zuschauer haben weiter jeden angefeuert. Ich habe meine Familie noch einmal getroffen und gedrückt und bin dann durch das Brandenburger Tor gelaufen. Es war der Wahnsinn. All das Training und die vielen Male aufraffen und weiter zu machen haben sich gelohnt. Trotz des Wetters waren noch sehr viele Menschen auf der Zielgerade und haben richtig Stimmung gemacht. Ein unbeschreibliches Gefühl! Es waren nur noch Glücksgefühle da – jetzt wusste ich selbst, wie sich die Läufer, die ich damals als Zuschauer gesehen habe, fühlen. Die Schmerzen waren mittlerweile verdrängt. Die Arme in den Himmel gerissen bin ich über die Ziellinie! Finisher! Die Medaille gab es auch direkt. Ich habe es wirklich geschafft – ich bin ein Marathoni! Zielzeit 6:00:39.