Marvin Walter

von | Okt. 14, 2025 | Stories | 0 Kommentare

Mein Weg zum „Sub-3-Marathon“

Joggen ist aus vielen Gründen gut – sowohl für den Körper als auch für den Geist.

Moderate Bewegung steigert die Abwehrkräfte.
Adäquate Belastungen stärken die Muskulatur und die Knochendichte. Regelmäßiges Joggen stärkt das Herz-Kreislauf-System und reduziert Stress.

Seid ehrlich: Wenn ihr euch für einen Halbmarathon oder Marathon anmeldet, dann braucht ihr mit den oben genannten Argumenten nicht mehr bei euren Angehörigen und Liebsten ankommen.

Es geht wahrscheinlich viel eher um persönliche Ziele, Herausforderungen und Wettkämpfe – Wettkämpfe gegen andere oder Wettkämpfe gegen sich selbst.

Meine Marathonreise, die ziemlich genau vor einem Jahr erst so richtig begann, beschreibt eher den letzteren Punkt. Im Oktober 2024 lief ich in Frankfurt bei meinem Marathondebüt in 03:02:19 über die Ziellinie.
An sich war ich echt zufrieden, dass ich überhaupt gefinisht hatte.
Meine Liebsten, die mich den gesamten Marathon über und die vielen Wochen zuvor schon mental unterstützten, warteten nämlich bereits im Ziel. Das war ein unbeschreiblicher Moment, dieses Erlebnis und die ganze Palette an Emotionen mit ihnen zu teilen.

Die Zielzeit hatte mich dann aber doch etwas gestört. Ich bin relativ knapp über der „magischen 3-Stunden-Grenze“ geblieben.

Und das, obwohl ich mich mit Coach Martin auf eine ungefähre Zielzeit von 3:10:00 geeinigt hatte.

Ich wusste, dass es wahrscheinlich niemanden da draußen interessieren würde, ob ich nun in 2:59:59 oder in 3:02:19 über die Ziellinie laufe. Ich meine, ich landete auf dem 1134. Platz – also irgendwo zwischen unwichtig und irrelevant.
Doch mir war relativ schnell klar, dass ich den nächsten Marathon unbedingt unter 3 Stunden laufen möchte. Denn so hatte ich in Frankfurt keinesfalls ein perfektes Rennen. Ab Kilometer 26 rackerte ich mich mit immer stärker werdenden Krämpfen ab und musste immer mehr an Tempo rausnehmen.
Muskelkrämpfe baue ich vor allem bei längeren „Laufgeschichten“ immer gerne mal ein. (Die waren vorher auch schon mit eingeplant.)
Doch hatte ich relativ schnell das Gefühl, dass die „Sub-3“ bei einem etwas besseren Rennverlauf auf jeden Fall möglich sein wird.

Und so wurde dieses konkrete Ziel zu einem Wettkampf gegen mich selbst (übrigens weit weg von: „Joggen senkt den Blutdruck und reduziert Stress“).

Ich nahm einige Wochen später mit zwei Lauffreunden erfolgreich an der Verlosung für den Berlin-Marathon 2025 teil. Das Ticket war safe, meine Zielzeit auch.

Ich wollte diesmal nicht nur härter trainieren, sondern auch smarter. Daher begann ich neben meiner regulären Arbeit mit dem Fernstudium „Ernährungsberater für SportlerInnen“. Ich wollte nicht nur mein Training durch gezielte Ernährung optimieren, sondern hatte ehrlich gesagt auch gar keinen Bock mehr auf Krämpfe ab Kilometer 26.

Schließlich stand ich am 21.09.2025 mit erfolgreich abgeschlossener Sporternährungsberater-Lizenz und perfekter 11-Wochen-Marathonvorbereitung sehr selbstbewusst an der Startlinie des Berlin-Marathons – zusammen mit 60.000 anderen Laufverrückten. Manche starteten um 09:15 Uhr, andere um 11:30 Uhr. Es war also gar nicht mal so leer zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule.

Ich hatte 3 Monate auf Alkohol verzichtet, keine einzige Trainingseinheit sausen lassen und während des „Carboloadings“ (die Ernährung 3–4 Tage vor dem Wettkampf) jedes Gramm Kohlenhydrat ausgewogen. Die Verpflegung während des Laufes war in Stein gemeißelt und vom Allerfeinsten, sag ich euch. Ich hatte auch gar keine Angst vor Krämpfen, weil die Ernährungsstrategie bei der Ironman-Halbdistanz vier Monate zuvor auch schon perfekt aufging.

Der Berlin-Marathon 2025 lief dann aber anders als erwartet für mich – eher ganz anders als erwartet.
Bereits einige Minuten nach dem Start, etwa in Höhe der Siegessäule, wusste ich, dass der heutige Tag eher eine Niederlage für mich wird. Mir war schlecht, ich schwitzte extrem und mein Puls war rekordverdächtig hoch.

Ja, es war extrem warm und ja, ich musste mich mehrmals übergeben und war kurz mal über einen Bordstein gestürzt. Aber nein, das ist keine ausreichende Begründung dafür, dass ich mit unzähligen Gehpausen und Krämpfen vom Zeh links außen bis hintere Schulter rechts mit 4:11:03 über die Ziellinie humpelte.

Ja, das Durchqueren des Brandenburger Tors beim schnellsten Marathon Major der Welt in Berlin war trotzdem irgendwie cool und ich war stolz darauf, dass ich den Lauf erhobenen Hauptes irgendwie ins Ziel gerettet habe. Aber wisst ihr, was wirklich Gänsehaut bereitet? Deine Mitmenschen zu Hause und auf der Arbeit seit Wochen damit verrückt zu machen, dass man ja unter 3 Stunden laufen will und deswegen weder ein Bier noch eine fettige Pizza anpackt. Sorry dafür…

Der Wettkampf gegen mich selbst war also vorerst verloren – aber auch nur vorerst. Ich hatte zwar 14 Tage nach dem Marathon immer noch extreme Schmerzen in beiden Beinen, sodass ich kaum Sport machen konnte. Aber der Kopf war scheinbar immer noch im Wettkampfmodus.
Es war nun an der Zeit, meinem Trainer zu beichten, dass ich am nächsten Morgen nach dem Berlin-Desaster bereits meine Anmeldung für den Westenergie-Marathon in Essen – nur 3 Wochen nach dem Berlin-Marathon – abgeschickt hatte.

Ich änderte diesmal meine Strategie. Bis auf Coach, Freundin, bester Kumpel, Mama und Chef wusste diesmal niemand von der Anmeldung. Ich wollte mir keinen Druck machen, keine Aufmerksamkeit. Außerdem wusste ich noch nicht, ob ich mir das wirklich so schnell antun möchte und starten werde.
Was ich bei meiner neuen Strategie nicht bedacht hatte: Ich konnte nicht mehr Nein zu Bier und Pizza sagen. Ich hatte einige Abendveranstaltungen eingeplant, auf die ich mich auch schon seit Wochen wirklich gefreut hatte. Demgemäß wurde auch das ein oder andere Mal etwas enthemmter Alkohol konsumiert. Die Ernährung währenddessen? Eher drittrangig.
Als ich dann zwei Tage vor dem Marathon in Essen mit Halskratzen und Kopfschmerzen aufwachte und mit dem Carboloading gar nicht erst startete, war die Absage für den Lauf eigentlich nur noch Formsache.
Samstagmorgen ging es mir dann aber wieder besser. Ich schnürte die Laufschuhe und begann einfach mal so mit einem 40-minütigen Aktivierungslauf. Der lief ganz gut. Meine Güte, lief der gut.
Ich hatte auf einmal wieder richtig Hunger auf Reis mit Nudeln. Als Beilage gab es Brot.
Vom Coach gab es dann auch noch das Go.

Lange Rede, gar kein Sinn: Luisa, Hund und ich begaben uns am nächsten Morgen (Sonntag, 12.10.2025) mit dem Marathon-Ziel „Einfach mal gucken, was geht“ nach Essen.
Das Sub-3-Ziel wurde nicht mehr ausgesprochen und doch hatte ich es im Kopf.
Ich dachte mir: Die monatelange gute Vorbereitung wiegt doch wohl deutlich stärker als die letzten 3 Wochen voller Saus und Braus (und Muskelkater des Grauens).

In Essen angekommen, bemerkte ich eine sehr positive Stimmung. Dieser Marathon hatte nun wirklich nichts mit Berlin zu tun. Keine Menschenmassen, angenehme 14 Grad Außentemperatur und eine etwa 18 km lange Seerunde um den schönen Baldeneysee. Ich hatte ein gutes Gefühl. Vor dem Startschuss gab es kein Gedrängel, die Läuferinnen und Läufer neben mir wirkten alle sehr entspannt. Ich hatte diesmal keine bestimmte Pacing-Strategie. Allerdings gab es einen 3-Stunden-Pacer, der genau auf 2:59:59 laufen wollte. Und schon war ich wieder voll drin in meinem „inneren Sub-3-Wettkampf“.

Wie sich wenig später beim Lauf herausstellte, lief dieser Mann vom Pacer-Team (mindestens 60 Jahre jung) wie ein Uhrwerk jeden Kilometer zwischen 4:13 min und 4:15 min. Ich musste also „nur“ dranbleiben. Zwei Seerunden und ein paar Schnörkel über Brücken – einfach nur dranbleiben.
Ich merkte schnell, dass meine Beine nicht frisch waren, sondern sich eher schwer und behäbig anfühlten. Allerdings war mir im Gegensatz zu Berlin nicht schlecht, und der Puls war eher im Grundlagenbereich. Mit jedem Kilometer kam ich meinem persönlichen Ziel näher. Bei der Hälfte konnte mir Luisa noch zusätzliche Gels, Salz und Flüssigkeit anreichen. Trotzdem schoss dann bei Kilometer 30 ein Krampf in meinen hinteren rechten Oberschenkel. Ich blieb kurz stehen, um ein kurzes, spontanes Dehnprogramm zu starten. Tatsächlich konnte ich den Krampf herausdehnen, und der Oberschenkel ließ mich bis zum Zieleinlauf in Ruhe. Bei Kilometer 32 konnte ich wieder zum Pacer aufschließen. Das war, wie sich später herausstellte, ganz klar der Schlüsselmoment in diesem Rennen – obwohl die letzten 10 Kilometer jetzt auch nicht unbedingt schnell rumgingen. Das Gefühl wird übrigens auch nicht lockerer, wenn man sich vorspricht: „Nur noch 25 Stadionrunden.“ Doch nach diesen 25 imaginären Stadionrunden bog ich auf die Zielgerade ab und wusste, dass es diesmal klappen wird.
Bei 02:59:37 stoppte für mich die Zeit. Ich hatte es geschafft. Marathon Sub 3!! Dieses Gefühl lässt sich nur sehr schwer beschreiben. Es ist eine Mischung aus Glück, Stolz, Schmerz, Druckabfall und unendlicher Dankbarkeit.

Was bedeutet Joggen also für mich? Ich würde sagen: absolute Leidenschaft.
Und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich meine persönliche Marathonreise mit euch teilen durfte.

Die nächsten Herausforderungen stehen bevor!

Bild: Marvin Walter
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